19.07.2020 - 20:11
Hohe Risiken durch Covid-19 Wie sicher ist Krebstherapie in Pandemie-Zeiten?
Wer an Krebs erkrankt, muss so schnell wie möglich behandelt werden, auch während der Coronavirus-Pandemie. Allerdings ist es eine Risikoabwägung.
Eine neue Normalität haben wir nun nach der ersten Welle der Coronavirus-Pandemie. Das gilt auch für Krebspatienten, die überlebensnotwendige Therapien nicht einfach aussetzen können, auch wenn diese ihr Infektionsrisiko erhöhen. Auch ihre Angehörigen sind verunsichert: Darf man seine Lieben überhaupt noch sehen, wenn sie gerade Chemo-, Strahlen- oder Immuntherapie erhalten?
Fest steht, dass Covid-19 schon bei Gesunden tödlich enden oder schwere Folgeschäden verursachen kann. Menschen, deren Körper gerade mit aller Macht und den nötigen Medikamenten gegen den Krebs kämpft, haben eigentlich keine Ressourcen mehr, um eine zusätzliche Infektion zu überstehen. Die Medizin lernt außerdem gerade erst, wie sie Krebspatienten helfen kann, die sich mit dem Coronavirus angesteckt haben.
Krebs und Corona: Ein Experte erklärt die Schwierigkeiten und Möglichkeiten
In der Zukunft wird sich auch erst zeigen, ob und wie sich die Corona-Maßnahmen auf die Zahl der Krebsneuerkrankungen auswirken – denn Vorsorgeuntersuchungen gab es im Frühjahr 2020 fast gar nicht. Wir haben bei einem Experten nachgefragt, was sich durch Covid-19 in der Behandlung und im Leben von Krebspatienten ändern musste. Prof. Dr. Ulf Dittmer ist Virologe am Westdeutschen Tumorzentrum in Essen– hier erklärt er, was man schon über Krebs im Zusammenhang mit Covid-19 weiß:
Müssen wir jetzt mit einer Krebs-Erkrankungswelle rechnen?
Prof. Dittmer: "Zu Hochzeiten der Corona-Pandemie konnten Krebs-Früherkennungsuntersuchungen nicht oder nur sehr eingeschränkt stattfinden. Ob es deshalb zu einer Welle von Krebs-Neuerkrankungen kommt, lässt sich momentan noch nicht sagen. Mittlerweile weiß man aber, dass es in der Zeit der Kontaktbeschränkung vermehrt zu unentdeckten Herzinfarkten und Schlaganfällen kam, da sich die Leute nicht zum Arzt trauten bzw. das Gesundheitssystem nicht belasten wollten. Für Krebs könnte es diesen Effekt zeitverzögert leider auch geben. Krebstherapien konnten in Deutschland zum Glück auch weiter stattfinden, in stark betroffenen Ländern wie Italien, mussten sie z. T. verschoben oder ausgesetzt werden, um Klinikbetten freizuhalten."
Wie laufen Krebstherapien nun während der Coronavirus-Pandemie?
Prof. Dittmer: "Bei uns wurden die Corona-Regeln in Krankenhäusern in den vergangenen drei Wochen gelockert, besondere Vorsicht ist aber weiter geboten. Bei jedem Patienten, der ambulant zur Krebstherapie kommt, wird jedes Mal die Temperatur gemessen und sollte sie erhöht sein, wird er sofort in einem Einzelzimmer isoliert. Dann wird ein Corona-Test gemacht, dessen Ergebnis in Essen innerhalb eines Tages vorliegt. Je nachdem kommt es zur stationären Aufnahme wegen Covid-19 oder zur Entwarnung. Die Patienten, die zur Krebsbehandlung stationär in der Klinik sind, werden ohnehin täglich auf diverse Krankheitsanzeichen untersucht."
Gehören alle Krebspatienten zur Covid-19-Risikogruppe?
Prof. Dittmer: "Einen schweren Verlauf einer Covid-19-Erkrankung muss man bei vielen Krebspatienten befürchten, da die Krankheit und ihre Behandlung den Körper stark schwächen können. Welche Krebspatienten ein besonders erhöhtes Infektionsrisiko für das neuartige Coronavirus haben, lässt sich derzeit noch nicht eindeutig sagen."
- Besonders gefährdet sind Menschen mit Krebsarten, die das Immunsystem angreifen, wie z.B. Leukämien.
- Wer eine Behandlung erhält – wie Chemotherapie - die die Abwehrkräfte schwächt, hat ebenfalls ein deutlich höheres Risiko, im Falle einer Ansteckung schwerer an Covid-19 zu erkranken.
- Wer unsicher ist, ob seine Krebstherapie immunsuppressiv wirkt, sollte unbedingt gezielt den behandelnden Arzt danach fragen.
Darf man während einer Krebsbehandlung überhaupt noch unter Leute?
Prof Dittmer: "Aus ärztlicher Sicht kann ich Krebspatienten nur zu möglichst wenigen sozialen Begegnungen raten. Natürlich ist das Zusammensein mit anderen auch ein wichtiger psychologischer Faktor, aber das Risiko, sich mit dem neuartigen Coronavirus anzustecken, steigt mit jeder Kontaktperson. Deshalb sollten Menschenansammlungen unbedingt vermieden und Abstand eingehalten werden. Das gilt auch für Angehörige außerhalb des eigenen Haushalts."
Wie können die anderen Krebspatienten in der Pandemie schützen?
Prof. Dittmer: "Menschen, mit denen man zusammenlebt, müssen sich ebenfalls unbedingt an alle Hygieneregeln halten und ihre Begegnungen mit anderen einschränken, um wiederum ihr Infektionsrisiko zu minimieren. Krebspatienten sollten außerdem beim Aufenthalt in der Öffentlichkeit mit anderen Menschen – z.B. beim Arztbesuch – die besonders sicheren FFP2-Masken tragen."
Krebskrank und Covid-19-Symptome – was sollen Betroffene dann tun?
Prof. Dittmer: "Wer an Krebs erkrankt ist und mögliche Symptome von Covid-19 bei sich feststellt, sollte umgehend reagieren und sich telefonisch an seinen Hausarzt, den behandelnden Facharzt oder den ärztlichen Bereitschaftsdienst unter der Nummer 116117 wenden. Auf keinen Fall dürfen Menschen mit Covid-19-Verdacht in Kliniken oder Praxen auf andere Krebspatienten treffen."
Können Krebspatienten gleichzeitig gegen Covid-19 behandelt werden?
Prof. Dittmer: "Wir haben hier in Essen Menschen behandelt, die sich in der Krebstherapie befanden und an Covid-19 erkrankt waren. Das sind schwierige Fälle, bei denen man medizinisch genau abwägen muss, welche Medikamente evtl. vorübergehend reduziert werden müssen, damit die Abwehrkräfte stark genug sind, um gegen das Sars-CoV-2 zu kämpfen. Das können immer nur Einzelfallentscheidungen sein, die vom Gesundheitszustand des Patienten, der Art der Krebstherapie und dem Verlauf der Covid-19-Erkrankung abhängen."
Unser Experte Prof. Dr. Ulf Dittmer ist Direktor des Zentrums für Virologie des Universitätsklinikums Essen. An die Uni-Klinik angeschlossen ist das Westdeutsche Tumorzentrum Essen, wo Krebspatienten und Interessierte zahlreiche hilfreiche Informationen finden.
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Wer Krankheitssymptome verspürt, sollte aber trotz Corona-Krise nicht zögern, ärztliche Hilfe zu suchen. Unentdeckte Krebsfälle können schwerwiegende Probleme nach sich ziehen. Denn viele Krebsarten sind nur dann gut heilbar, wenn sie frühzeitig erkannt werden. Zudem gilt: Trotz Corona-Angst: Bei Herzinfarkt und Co ins Krankenhaus!
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